Warum fallen nach Betreiberwechseln häufig Züge aus?

Bahnfahrzeuge müssen auch bei scheinbar kleinen Umbauten einen neuen Genehmigungsprozess durchlaufen.

Hamburg: Zugausfälle sind ärgerlich, insbesondere dann, wenn sie sich häufen. Aber warum kommt es dazu, vielfach nach einem Betreiberwechsel? Weil Bahnfahrzeuge immer einen neuen Genehmigungsprozess durchlaufen müssen, auch wenn es an ihnen nur scheinbar kleine Umbauten gibt, erläutert der Eisenbahnsachverständige Christoph Held von TÜV NORD.

Bahnfahrzeuge haben eine lange Lebensdauer, in der Regel mehr als 30 Jahre. Nicht nur durch Betreiberwechsel kann es zu veränderten Anforderungen kommen, auch sich wandelnde gesellschaftliche Ansprüche können Auslöser sein. Zum Beispiel der zunehmend geforderte barrierefreie Zugang zu Bahnen oder der steigende Bedarf an Mehrzweckabteilen für die Beförderung von Fahrrädern. Auch nachträglich installierte elektronische Hinweistafeln oder Monitore in Wagen gehören ebenso dazu wie das Bereitstellen eines WLAN.  

„Sind Umbauten an Wagen erforderlich, müssen sie erneut bewertet und in Abhängigkeit vom Umfang der Umbauten zugelassen werden, sofern diese Umbauten Einfluss auf nationale1 und internationale2 Regelwerke haben“, erklärt Christoph Held. „Das ist praktisch alles, was über den reinen Austausch vorhandener Komponenten mit gleichwertigen Eigenschaften hinausgeht.“

Eine Bewertung der Änderungen und die Genehmigung des veränderten Fahrzeugs sind erst recht erforderlich, wenn grundlegende Konstruktionsmerkmale des Fahrzeugs selbst technisch verändert werden. Dazu zählen beispielsweise veränderte Achslasten, ein in der Länge gegenüber der Ursprungszulassung veränderter Zugverband oder die Zulassung einer höheren Maximalgeschwindigkeit eines solchen. Hierbei spielen insbesondere die Dimensionierung von Bremsen eine wesentliche Rolle, die Leistung, die Stromaufnahme oder die Fahreigenschaften, um nur einige Punkte zu nennen.

Es komme vor, so Held, dass Betreiber bei Umbaumaßnahmen, die auf den reinen Fahrgastkomfort zielen, zu spät an den Bewertungs- und Zulassungsprozess3 denken. Weil dieser aber aufwendig und langwierig ist, kann es bei zu kurzfristiger Planung dazu führen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigte Wagen nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen. Folge: Im günstigen Fall können noch alte Zugverbände eingesetzt werden, im schlechtesten Fall steht dieses alte Zugmaterial nicht zur Verfügung, und es kommt zu Ausfällen von Verbindungen. Die modernisierten Wagen, die in Zukunft fahren werden, haben jedoch Vorteile: einen barrierefreien Zugang, mehr Platz für Fahrräder, ein besseres Informationssystem oder WLAN.

 

1Nationale Notifizierte Technische Regelungen (NNTR)
2 Technische Spezifikationen für Interoperabilität (TSI)
3
Bestätigungen und Zertifizierungen durch eine Benannte Stelle (Notified Body, NoBo), eine Bestimmte Stelle (Designated Body, DeBo) und eine Bewertungsstelle (Assessment Body) sowie der Europäische Zulassungsprozess bei der Europäischen Eisenbahnagentur (ERS)

Über die TÜV NORD GROUP

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