Sustainability & Certification
Am 5. Juni ist Weltumwelttag. Der Tag, an dem unter anderem Regierungen und Unternehmen dazu angeregt werden sollen, sich aktiv für den Schutz und Erhalt der Umwelt einzusetzen. Die EU will die Emission klimaschädlicher Gase im Vergleich zu 1990 um mindestens 55 Prozent senken und bis 2050 klimaneutral werden. Das wichtigste Instrument zur Erreichung dieses Ziels ist der europäische Emissionshandel. Doch wie funktioniert das Emissionshandelssystem, kurz ETS, und schafft es Erfolge?
Der Europäische Emissionshandel (ETS) wurde am 1. Januar 2005 eingeführt. Das Prinzip: Unternehmen, die CO2 oder andere klimaschädliche Gase ausstoßen, müssen diese Emissionen durch Zertifikate kompensieren, also „bezahlen“. Für jede Tonne CO2 wird ein Zertifikat benötigt, welches durch die EU vergeben wird. Diese Emissionszertifikate müssen in Auktionen an der Börse erworben werden, einige werden kostenlos zugeteilt. Jährlich müssen Unternehmen der EU genau so viele Zertifikate vorlegen, wie sie CO2 ausgestoßen haben, andernfalls müssen die fehlenden Zertifikate nachträglich erworben werden und die Unternehmen zusätzlich eine Strafe von 100 Euro pro fehlende Tonne zahlen.
Die Anzahl der auf dem Markt befindlichen Zertifikate ist limitiert. Das Prinzip Cap & Trade legt eine Obergrenze (Cap) für die Emissionen der erfassten Industriezweige fest. Die EU gibt für diese Gesamtmenge CO2-Zertifikate aus. Unternehmen, die ihren Treibhausgasausstoß reduzieren, können überschüssige Zertifikate an andere Firmen verkaufen (Trade), die ihre Emissionen nicht ausreichend senken konnten und mehr Zertifikate benötigen. „Die ökonomische Idee ist, dass Emissionen zuerst dort reduziert werden, wo es am günstigsten ist, und andere Branchen folgen, wenn die technologische Entwicklung einen wirtschaftlich tragfähigen Umstieg ermöglicht“, erklärt Susanne Günzerodt. Um die Unternehmen anzuhalten, ihre Emissionen zu senken und in umweltfreundliche Technologien zu investieren, ist im ETS-System eine lineare Reduktionsrate festgelegt, d. h. jährlich werden Zertifikate aus dem Markt genommen. Die Verknappung lässt den Preis der Zertifikate steigern, der Druck wächst.
Emissionshandelspflichtig sind alle Strom- und Wärmekraftwerke mit einer Leistung von mindestens 20 Megawatt. Kleinere Blockheizkraftwerke für Wohngebiete sind in der Regel nicht betroffen. Dazu kommen energieintensive Industrien wie die Chemiebranche, Stahlwerke, Raffinerien, Zementwerke sowie Papier- und Glashersteller. Seit 2012 ist auch der innereuropäische Luftverkehr im ETS enthalten, der Seeverkehr kam 2024 hinzu. Der EU-Emissionshandel deckt derzeit etwa 45 Prozent der Treibhausgasemissionen in Europa ab. Ab 2027 wird er auch auf den Gebäude- und Verkehrsbereich ausgeweitet. „Der europäische ETS ersetzt damit das deutsche Brennstoffemissionshandelsgesetz, das fossile Brennstoffe zum Heizen und Fahren seit 2021 mit einem CO2-Preis belegt“, erklärt Günzerodt. Die CO2-Kosten für Heizöl, Gas oder Benzin werden dann am Markt gebildet, was laut Experten zu deutlichen Preissprüngen führen könnte: Studien zufolge könnten sich die Kosten je Tonne gegenüber dem deutschen CO2-Preis auf 200 Euro verdreifachen.
Damit europäische Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden und verhindert wird, dass sie ihre CO2-intensive Produktion ins Ausland verlagern, erhalten einige Unternehmen kostenlose Zertifikate. Umweltverbände kritisieren diese Praxis seit Beginn des Emissionshandels. Als Reaktion darauf wurde das ETS in den letzten 20 Jahren mehrfach reformiert und weiterentwickelt: Stromerzeuger erhalten seit 2013 keine Gratis-Zertifikate mehr. Im Luft- und Seeverkehr endet die kostenlose Vergabe 2026, und bis 2034 soll sie vollständig auslaufen. Stahl- und Papierhersteller sowie andere energieintensive Industrien erhalten jedoch keine Blankochecks für ihre Emissionen: Seit 2013 basieren die kostenlosen Zuteilungen auf Benchmarks für die jeweiligen Industriezweige und Produkte. „Diese Benchmarks basieren auf den zehn Prozent effizientesten Anlagen in der EU in der jeweiligen Branche“, erklärt Günzerodt. Wer beispielsweise 100.000 Tonnen Stahl produziert, erhält nur so viele kostenlose CO2-Zertifikate, wie ein besonders effizientes Stahlwerk dafür benötigen würde; der Rest muss zugekauft werden.
Deutschland hat 2024 durch den europäischen Emissionshandel 5,5 Milliarden Euro eingenommen. Diese Erlöse fließen vollständig in den Klima- und Transformationsfonds, der unter anderem die energetische Gebäudesanierung, den Ausbau erneuerbarer Energien und die Ladeinfrastruktur für E-Autos fördert. Auch die Einnahmen aus dem nationalen Emissionshandel für Wärme und Verkehr fließen in diesen Fonds, sie beliefen sich 2024 auf rund 13 Milliarden Euro.
In den ersten beiden Phasen des ETS bis 2013 wurden aus verschiedenen Gründen zu viele Zertifikate ausgegeben, was zu einem massiven Preisverfall führte. Eine Tonne CO2 konnte zeitweise für weniger als fünf Euro ausgestoßen werden, was zu wenig war, um Unternehmen zum Umstieg zu motivieren. „Die angestrebten Reduktionsziele wurden dadurch verfehlt“, sagt Günzerodt. „Die EU hat daher 2019 die Marktstabilitätsreserve eingeführt, um überschüssige Zertifikate aus dem Markt zu nehmen“. Dies hatte merkliche Auswirkungen auf die Preisentwicklung. Zwischen 2020 und 2023 stiegen die Kosten für eine Tonne CO2 von knapp 25 auf rund 84 Euro. Im Vergleich zu 2017 haben sich die Zertifikatspreise sogar versiebzehnfacht. Dies spiegelt sich auch in der Minderungsquote wider: Seit Einführung des ETS im Jahr 2005 wurde der CO2-Ausstoß in den erfassten Industriezweigen und Verkehrsbereichen um 50 Prozent reduziert, berichtete die EU im April 2025. Man sei auf einem guten Weg, das für 2030 angestrebte Ziel einer Minderung von 62 Prozent zu erreichen. Dies ist auch auf weitere politische Maßnahmen für mehr Energieeffizienz und erneuerbare Energien zurückzuführen, nicht nur auf den Emissionshandel. Der sei auch heute noch nicht perfekt, sagt Günzerodt, habe aber die Klimaschutzpolitik auf eine stabilere Datenbasis gestellt: „Durch die Verpflichtung, den eigenen CO2-Ausstoß zu überwachen, haben Unternehmen oft erst erkannt, in welchen Bereichen Emissionen entstehen und wo Potenziale für Minderungen bestehen“.
Unternehmen, die am Emissionshandel teilnehmen, müssen der EU jährlich detailliert darlegen, wie viel CO2 sie ausgestoßen haben. Diese Emissionsberichte müssen von akkreditierten Prüfstellen wie TÜV NORD verifiziert werden. „Bei Vor-Ort-Begehungen überprüfen wir unter anderem, ob alle Emissionsquellen berücksichtigt und die Messgeräte, mit denen etwa der Gasverbrauch erfasst wird, ordnungsgemäß kalibriert und gewartet sind“, erklärt Susanne Günzerodt. In der Datenprüfung wird überprüft, ob die vorgelegten Verbrauchsdaten der Betreiber vollständig erfasst und korrekt berechnet sind. „Je komplexer die Anlage, desto komplexer ist auch die Überprüfung“, so Günzerodt.
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