Kinder machen sich gern einen Spaß daraus, im Aufzug sämtliche Knöpfe zu drücken. Für Anne Zerno ist das professionelle Sorgfalt. In einem Hamburger Hochhaus fährt sie eine Etage nach der anderen ab, um sich davon zu überzeugen, dass die Kabine stets ebenerdig öffnet. „Eine Stufe von wenigen Zentimetern Höhe wird leicht zur Stolperfalle“, sagt Zerno. Während der Fahrt achtet sie auf verdächtige Geräusche oder ruckartige Bewegungen, testet die Lichtschranke und den Notruf. Im obersten Stockwerk angelangt, lässt sie sich von einem Mitarbeiter der Wartungsfirma den Triebwerksraum aufschließen. Hier nimmt Zerno die Steuerung in Augenschein, dann überprüft sie Antrieb, Bremse und Fangvorrichtung. „Es klingt paradox, aber ein Seil-Aufzug würde eher nach oben als nach unten abstürzen“, erläutert die 30- Jährige. „Das liegt daran, dass das Gegengewicht schwerer als die Kabine ist und diese nach oben zieht.“ Kommt es zu einer Störung und wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten, drückt sich eine Sicherheitseinrichtung an die Führungsschienen und stoppt die Kabine: „Keine Angst, es ist ein Mythos aus amerikanischen Filmen, dass alle Seile gleichzeitig reißen und zusätzlich Bremse und Fangvorrichtung versagen können.
Ich stelle zwar häufiger Mängel fest, aber in letzter Zeit musste ich keine Anlage akut stilllegen.“ Ihr Arbeitgeber TÜV NORD Systems, ein Unternehmen der TÜV NORD GROUP, bietet Prüfung und Begutachtung von überwachungsbedürftigen Anlagen an, etwa in der Fördertechnik, in der Elektro- und Leittechnik oder beim Betrieb von Druckgeräten. Im Prüfgebiet Aufzüge ist Zerno zusammen mit einem Dutzend Kolleginnen und Kollegen für Wohnhäuser, Bürogebäude, Krankenhäuser, Fabriken in der Region Hamburg- Süd zuständig. Die Abnahme einer neu gebauten Anlage erfordert mehr Zeit. Daneben leitet Zerno die Vorprüfstelle ihrer Region, das heißt, sie überprüft, ob die eingereichten Unterlagen der Aufzugsnorm entsprechen und berechnet, je nach Anlagenart, die einzelnen sicherheitsrelevanten Bauteile. Der daraus resultierende Vorprüfbericht bildet die Grundlage für die Kollegen, die die Neubauabnahme vor Ort durchführen. „Die Arbeit ist unglaublich vielfältig“, sagt sie. „Die älteste Anlage, die ich geprüft habe, lief seit 102 Jahren. Spannend finde ich auch moderne Hochgeschwindigkeitsaufzüge in sehr hohen Gebäuden.“ Bewegung ist der rote Faden in Zernos Vita, obwohl sie anfangs mehr zu Autos als zu Aufzügen tendierte. Nach dem Fahrzeugbaustudium an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und anschließender Ausbildung zur Sachverständigen wechselte die Diplom-Ingenieurin im Mai 2010 zu TÜV NORD Systems. „Das ging sehr spontan, innerhalb einer Woche lag der Arbeitsvertrag auf dem Tisch“, sagt sie. So flexibel wie beim Einstieg zeige sich ihr Arbeitgeber auch in anderen Dingen, zum Beispiel bei der Work-Life-Balance. Individuelle Karriereplanung werde großgeschrieben: Zerno möchte sich fachlich breiter aufstellen, weshalb sie einen Lehrgang für „fliegende Bauten“ begonnen hat: „Dann darf ich Fahrgeschäfte, zum Beispiel Achterbahnen, prüfen und abnehmen.“