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Unternehmen

Kernfusion: TÜV NORD benennt technische und wirtschaftliche Herausforderungen der vielversprechenden Technologie

Energie

Weltweit steigt der Bedarf an elektrischer Energie, insbesondere verstärkt durch den massiven Einsatz künstlicher Intelligenz. Deutschland setzt deshalb auch auf Kernfusion als eine Schlüsseltechnologie für die Energiezukunft. Dazu hat die Bundesregierung am 1. Oktober den Aktionsplan „Deutschland auf dem Weg zum Fusionskraftwerk“ beschlossen. Worum geht es bei der Kernfusion? Und wo liegen die Herausforderungen und Chancen?

Im Inneren der Sonne verschmelzen Wasserstoffatomkerne zu Helium und setzen so gewaltige Energien frei. Bei der Fusion von Wasserstoffatomen zu Helium entstehen schnelle Neutronen. Deren kinetische Energie sollen Kernfusionsreaktoren nutzen; so sehen es zumindest die meisten Konzepte vor. Diese Energie wird in Wärme und schließlich in Strom umgewandelt. „Die Kernfusion verspricht theoretisch unbegrenzte Energie bei geringer Umweltbelastung und ohne langlebige radioaktive Abfälle. Bis heute speist allerdings noch kein einziger Fusionsreaktor Energie ins Netz ein, und es gibt keine Anlage, die außerhalb von Versuchen Energie erzeugt“, sagt Hans Koopman, Geschäftsführer von TÜV NORD EnSys.

Mehrere Entwicklungsstränge in der Forschung

Es gibt unterschiedliche Ansätze: Magnetfusions-Konstruktionen wie Tokamak und Stellarator, die ein Deuterium-Tritium-Plasma durch Magnetfelder kontrollieren, sowie laserinduzierte Fusionsreaktoren, die beispielsweise kleine Deuterium-Tritium-Pellets als Brennstoff nutzen. Die zugrunde liegende Kernreaktion ist bei fast allen Konzepten identisch, allerdings gibt es Unterschiede, beispielsweise können Reaktoren im Dauerbetrieb oder nur im Impulsbetrieb betrieben werden.

Ungelöste Herausforderungen

Zahlreiche Fragen sind aus Sicht von TÜV NORD noch offen und müssen gelöst werden:

  • Alle Konzepte müssen noch den praktischen Beweis antreten, dass Netto-Energie überhaupt regelmäßig erzeugt und genutzt werden kann.
  • Der Brennstoffkreislauf, insbesondere die Erzeugung von genügend Tritium im Betrieb, ist ungelöst.
  • Materialforschung für die hochbelasteten inneren Reaktorwände ist notwendig.
  • Der Rohstoffbedarf umfasst exotische Materialien wie angereichertes Lithium-6.
  • Anlagensicherheit und Strahlenschutz sind noch nicht im Fokus, obwohl sie im Betrieb bedeutend sein werden.
  • Die Genehmigungsverfahren sind noch offen. Wird die Regulierung, wie im Aktionsplan vorgesehen, im Strahlenschutz- statt im Atomgesetz verankert, könnte die Genehmigung deutlich einfacher sein als bei Kernkraftwerken.

„Vor dem Hintergrund all dieser ungelösten Herausforderungen sind die Zeitpläne für die Entwicklung von Fusionskraftwerken sehr ehrgeizig“, so Hans Koopman.

Wirtschaftlich betrachtet sind weitere Faktoren relevant, betont Hans Koopman: „Für eine kommerzielle Energieerzeugung sind Skalierbarkeit, wettbewerbsfähige Kosten und vorhersehbare Zeitpläne entscheidend. Die Kernfusion muss auf Terawattstunden skaliert werden – und das zu akzeptablen Kosten für Investierende und Verbraucher:innen. Zudem muss die Technologie schnell genug entwickelt werden, um ein Beitrag zum Klimaschutz neben den anderen Technologien zu sein.“

Forschung nutzt weiteren Branchen

In Deutschland sind vier Start-ups aktiv, die Fusion als Energiequelle erschließen wollen. Weltweit wird seit Jahren an Fusionstechnologien geforscht und entwickelt, mit staatlichen Förderprogrammen in zahlreichen Ländern. Laut Fusion Industry Association arbeiten über 50 private Firmen an Projekten. „Viele Fusionsunternehmen profitieren davon, dass ihre Systeme für andere kommerzielle Zwecke wie Plasmaätzen und Röntgenquellen genutzt werden können. Technologien wie Hochtemperatur-Supraleiter und fortgeschrittene Materialien fördern die Weiterentwicklung von High-Tech-Produkten. Innovationen bei HTS-Magneten finden Anwendung in Windkraftanlagen und medizinischer Bildgebung. Ebenso unterstützen Fortschritte in Supercomputing und KI die Berechnungen in der Forschung“, erläutert TÜV NORD-Experte Hans Koopman.

Die TÜV NORD GROUP ist schon lange in der Nukleartechnologie tätig und begleitet aktiv in Kernfusions-Projekten wie Wendelstein 7-X, ITER und STEP. „Unsere Aufgabe ist es, die Sicherheit neuer Kerntechnologien zu gewährleisten und die Normung von Fusionsanlagen voranzutreiben“, so Koopman.
 

Hans Koopman, Geschäftsführer von TÜV NORD EnSys. Foto: TÜV NORD 

Hans Koopman, Geschäftsführer von TÜV NORD EnSys. Foto: TÜV NORD JPG - 2 MB

Über die TÜV NORD GROUP

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Kontakt

Annika Burchard, Corporate Communications TÜV NORD GROUP

Annika Burchard

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