Lieferkettengesetz: Was bedeutet die Risikoanalyse für die Unternehmen?

30. November 2022 | Industrie: Im Januar tritt das deutsche Lieferkettengesetz in Kraft. Dann müssen Unternehmen bei ihren Lieferanten weltweit auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz achten. Das Gesetz, welches ab 2023 zunächst für Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten gilt, könnte jetzt durch die EU eine erhebliche Verschärfung erfahren.

Am 1. Dezember 2022 wird in Brüssel über einen Entwurf der EU-Kommission diskutiert, der europäische Unternehmen weit stärker in die Nachhaltigkeits-Pflicht nehmen möchte, als die deutsche Variante des Lieferkettengesetzes dies vorgibt. Doch was genau bedeutet die Pflicht zur Risikoanalyse für Unternehmen?

Was bedeutet das Lieferkettengesetz für deutsche Unternehmen?

Kern des Gesetzes ist eine Risikoanalyse, die Unternehmen für ihre unmittelbaren Lieferanten (so genannte Tier 1 Lieferanten) entwickeln müssen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass ein Unternehmen die Risiken entlang der Lieferkette minimiert. Die Unternehmen analysieren, in welchen Ländern welche Risiken in welchen Bereichen bestehen und entwickeln Maßnahmen zur Risikovermeidung. In der Regel wird dazu ein Menschenrechtsbeauftragter als klar definierter Verantwortlicher im Unternehmen berufen. Das Unternehmen muss öffentlich kommunizieren, welche Werte es vertritt. Zum Beispiel durch eine Grundsatzerklärung. Und es muss ein Beschwerdemanagement einführen, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den Zulieferbetrieben oder andere vulnerable Gruppen bei Missständen Beschwerden lancieren können.

Welche Bereiche umfasst eine Risikoanalyse?

Die Risikoanalyse umfasst die Komponenten „Menschenrechte“ und „Umweltschutz“. Unternehmen müssen sicherstellen, dass die für sie produzierten Waren oder Bauteile nicht von Kindern oder Zwangsarbeitern erstellt werden, dass Arbeitsschutzmaßnahmen in der Produktion eingehalten werden und die Arbeiterinnen und Arbeiter angemessen entlohnt werden. Umweltrisiken durch Chemikalieneinsatz, Quecksilberabfall und Wasserverschmutzung müssen vermieden werden.

Welche Nachhaltigkeitsstandards gibt es auf dem Markt und wie erfolgt ein entsprechendes Audit?

Risikoanalysen sind nicht neu. Etablierte Standards sind zum Beispiel SMETA und BSCI. Sie sind seit zehn, fünfzehn Jahren am Markt und fokussieren sich auf das Thema Nachhaltigkeit. Ein Audit, das die Gegebenheiten vor Ort unter die Lupe nimmt, dauert zwischen ein und drei Tagen. Der Auditor dokumentiert den Zustand von Gelände, Fabrikhallen, Sozialräumen, Kantinen und Toiletten. Gibt es Unterkünfte, in denen die Arbeiter:innen wohnen, werden auch diese begutachtet. Danach folgen Interviews mit Beschäftigten nach dem Zufallsprinzip. Alle Gespräche finden vertraulich statt. Die Aussagen des Personals werden mit den Informationen aus vorliegenden Dokumenten abgeglichen. Augenmerk liegt u.a. auf dem Einhalten von Arbeitszeiten und Pausen, der regelmäßigen Bezahlung der Löhne sowie gültigen Arbeitsverträgen. Der Auftraggeber – in der Regel die Unternehmen, die mit den Lieferanten zusammenarbeiten – erhält nach abgeschlossenem Audit einen Bericht sowie Fotos von den Gegebenheiten vor Ort.

Welche Chance ergibt sich aus dem Lieferkettengesetz?

Neben dem Wohl der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Betrieben, hat der Blick auf die Zustände in den Zuliefererbetrieben auch positive Auswirkungen auf die Produkte. Wenn die Zufriedenheit unter den Beschäftigten steigt, weil sich das Arbeitsklima verbessert und die Arbeiterinnen und Arbeiter ausgeruht und ohne soziale Nöte ihrer Arbeit nachgehen, steigt die Qualität der Produkte. Hinzu kommt, dass ein sozial gut aufgestellter Betrieb auch im Kampf um die besten Kräfte im Vorteil ist.

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