Narzisst am Steuer

26. Februar 2021 | Mobilität: Der psychologische Gutachter Ralf Buchstaller von TÜV NORD erklärt, was hinter diesem Verhalten steckt.

Lichthupe, drängeln, Vorfahrt nehmen: Daran erkennt man einen narzisstischen Fahrstil. Der psychologische Gutachter Ralf Buchstaller von TÜV NORD erklärt, was hinter diesem Verhalten steckt.

Ein Experiment im Fahrsimulator konfrontierte 60 Studierende in den USA mit typischen Situationen im Straßenverkehr: Mal nahm ihnen jemand die Vorfahrt, mal standen sie im Stau oder warteten ewig vor einer Ampel. Dabei ließ das Forschungsteam die Studierenden glauben, dass manche der anderen Autos ebenfalls von Versuchspersonen gesteuert wurden. Ergebnis: Einige Studierende drängelten, schimpften oder verursachten sogar virtuelle Unfälle. Darunter waren vor allem jene, die zuvor in einem Fragebogen einen Hang zum Narzissmus offenbart hatten.

„Narzissten fahren deshalb so aggressiv, weil sie für sich Sonderrechte beanspruchen“, erklärt Studienleiter Brad Bushman von der Ohio State University. Seit rund 30 Jahren erforscht der Sozialpsychologe die Ursachen von Aggressionen. Ihm zufolge glauben narzisstische Menschen, die Straße gehöre ihnen – sie fühlen sich berechtigt, so zu fahren, wie es ihnen beliebt.

Narzissmus kann im Extremfall zu einer Störung werden und zu Problemen mit anderen Menschen führen, sagt der promovierte Psychologe Ralf Buchstaller vom TÜV NORD, Gutachter am medizinisch-psychologischen Institut (MPI) in Kiel. Zunächst einmal handle es sich aber um ein Persönlichkeitsmerkmal wie jedes andere auch: Bei der einen Person ist Narzissmus mehr, bei der anderen weniger ausgeprägt. Überdurchschnittlicher Narzissmus könne durchaus positive Seiten haben, Durchsetzungsfähigkeit zum Beispiel.

„Doch je narzisstischer, desto stärker die Selbstbezogenheit und die Überzeugung, anderen überlegen zu sein“, erläutert Ralf Buchstaller. „Und damit wächst das Risiko für Regelverstöße am Steuer.“ Die US-Fachgesellschaft Association for Psychological Science zählt gefährliches Fahren und Ärger auf andere, die den Weg nicht frei machen, sogar zu den Markenzeichen von Narzissten. Narzissmus sei eine Gefahr für den Straßenverkehr, warnt die Fachgesellschaft auf ihrer Website.

Vor allem unter Männern ist ein narzisstischer Fahrstil verbreitet. Bei einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Unfallforschung der Versicherer gab 2016 mehr als jeder vierte Autofahrer zu, sich manchmal die Vorfahrt zu erzwingen. Jeder Dritte räumte ein, auf Linksfahrer dicht aufzufahren, damit sie die Überholspur freimachen. „Typisch für Menschen, die die Straße für ihr Territorium halten und ihre Ansprüche durchsetzen wollen“, berichtet Ralf Buchstaller vom medizinisch-psychologischen Institut (MPI) in Kiel. „Sie halten ihren Ärger und ihr Fehlverhalten für gerechtfertigt, weil sie meinen, ihre Freiheit werde unzumutbar eingeschränkt.“

Was also tun, wenn man einem Narzissten begegnet: auf die Vorfahrtsregeln bestehen? „Erziehungsversuche im Straßenverkehr sind riskant“, warnt Ralf Buchstaller von TÜV NORD. Bei einer narzisstischen Persönlichkeit sei damit zu rechnen, dass sie ihre Ansprüche auf Sonderbehandlung durchsetzen will. Allemal klüger: Abstand halten. Nicht nur auf der Straße, aber dort ganz besonders.

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