Warum wir beim Hinterherfahren zum Rüpel werden

Ein Freund möchte, dass Sie seinem Auto folgen? Lehnen Sie lieber dankend ab. Denn wer einem anderen Fahrzeug nachfährt, verwandelt sich unfreiwillig in einen Verkehrsrowdy.

Ein Freund möchte, dass Sie seinem Auto folgen? Lehnen Sie lieber dankend ab. Denn wer einem anderen Fahrzeug nachfährt, verwandelt sich unfreiwillig in einen Verkehrsrowdy.

Keine Actionserie, kein Spionagethriller kommt ohne aus: eine Szene, in der ein Held und sein Widersacher einander in schönen Autos durch die Straßen jagen. In der Regel nimmt das für mindestens eines der Fahrzeuge kein gutes Ende. Im wahren Leben geht es zwar meist weniger dramatisch aus. Doch die Quintessenz ist dieselbe, sagt Dr. Ralf Buchstaller vom TÜV NORD. "Wenn man einem anderen Auto folgt, kommt es oft zu riskanten Manövern."

Dafür braucht es weder Bösewichte noch Doppelagenten - es genügt schon, dass nur einer den Weg kennt. Warum das so ist, schilderten Forscher um Jaimie McNabb kürzlich in der Fachzeitschrift "Frontiers in Psychology". Mit Hilfe eines Fahrsimulators untersuchten die Psychologin und ihre Kollegen, wie sich der Fahrstil ihrer Probanden veränderte, wenn sie einem Auto folgen sollten.

Die Versuchspersonen wurden instruiert, sich an die Verkehrsregeln zu halten, beispielsweise rote Ampeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen zu respektieren. Zunächst durften sie im Simulator fünf Minuten frei umherfahren, um sich an das Gerät zu gewöhnen. Darauf folgte die eigentliche Aufgabe: Die eine Hälfte sollte sich als erstes von einem Navigationssystem führen lassen, dann dem Auto eines Freundes nachfahren. Die andere Hälfte der Teilnehmer absolvierte die Touren in umgekehrter Reihenfolge.

"Wenn die Teilnehmer einem anderen Auto hinterherfuhren, drückten sie mehr aufs Gas, ließen weniger Abstand zum Vordermann und wechselten schneller die Spur, als wenn sie sich von einem Navigationssystem leiten ließen", beobachteten die Forscher. Auf der jeweils knapp zehnminütigen Strecke wurden die Versuchspersonen außerdem mit kritischen Situationen konfrontiert: Einmal sprang eine Ampel auf gelb, als sie sich einer Straßenkreuzung näherten. Ein andermal sollten sie rechts abbiegen, während ein Fußgänger von links den Zebrastreifen vor ihnen betrat. Folgten sie dabei einem Auto, beschleunigten die Probanden vor der gelben Ampel stärker, und sie fuhren auch schneller um die Kurve (mit 34 versus mit 21 Stundenkilometern). Als der Fußgänger die Straße betrat, stoppten immerhin 44 Prozent derjenigen Fahrer ab, die den Anweisungen des Navis folgten. Doch nicht ein einziger ließ den Fußgänger passieren, wenn er seinem Vordermann hinterherfuhr.

"Die Fahrer wollten den Wagen nicht aus den Augen verlieren", vermuten die Forscher. Allerdings sei die riskante Fahrweise auch in Situationen aufgetreten, in denen gar keine akute Gefahr bestanden habe, den Anschluss zum Vordermann zu verlieren. Zu riskanteren Manövern komme es also auch ohne konkreten Anlass - es genüge schon die Angst, womöglich auf der Strecke zu bleiben.

Sollten Sie trotz allem in einer Autokolonne in den nächsten Urlaub fahren wollen, empfiehlt TÜV-Psychologe Dr. Buchstaller: "Lassen Sie sich vor dem Start die Zieladresse geben, und nehmen Sie für alle Fälle ein Navi mit." So können Sie vor Ampeln und Zebrastreifen gelassen das Tempo drosseln, auch wenn der Vordermann gerade außer Sichtweite ist.

 

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