Zu zweit fährt man meist besser

Mobilität: Viele fahren in Begleitung sicherer. Es gibt allerdings einige Ausnahmen.

Gesellschaft im Auto vertreibt Müdigkeit und Langeweile. Ein lebhaftes Gespräch kann die Aufmerksamkeit jedoch auch von der Straße ablenken. Sind Mitfahrende unterm Strich also eher ein Stör- oder ein Schutzfaktor?

Dieser Frage widmeten sich schon zahlreiche Forschungsteams. Eine einfache Antwort fanden sie nicht. Je nach Situation kann das Unfallrisiko sinken oder steigen, stellte beispielsweise der deutsche Verkehrspsychologe Mark Vollrath fest, nachdem er die Begleitumstände von Unfällen in Mittelfranken zwischen 1984 und 1997 analysiert hatte. Vollrath, heute Professor an der TU Braunschweig, zog zwar ein grundsätzlich positives Fazit: Generell schützten weitere Insassen vor Unfällen; im Beisein anderer wurde insgesamt vorsichtiger und langsamer gefahren. Bei jungen Fahrerinnen und Fahrern traf das aber weniger zu, ebenso nachts, an Kreuzungen und in schwierigen Situationen, etwa beim Überholen.

Laut Studien im Ausland steigt das Unfallrisiko für junge Fahrerinnen und Fahrer in Begleitung anderer sogar. US-Daten zufolge sterben sie mit 16 oder 17 Jahren umso eher bei einem Autounfall, je mehr Personen mitfahren, besonders, wenn es sich dabei um Gleichaltrige handelt. Im Beisein Erwachsener fahren sie hingegen sicherer.

Mitfahrende beeinflussen nicht nur das Fahrverhalten selbst, sondern auch, was der Mensch dabei noch so alles tut. Dieses Nebengeschehen untersuchte das Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften 2014 mit Videoaufnahmen im Fahrzeug. Demnach sind wir beim Alleinfahren im Schnitt rund 25 Prozent der Zeit mit etwas anderem beschäftigt – überwiegend mit dem Mobiltelefon. Haben wir Gesellschaft, so verwenden wir auf diese Aktivitäten nur 5 Prozent unserer Zeit, dafür aber weitere 35 Prozent auf Unterhaltung.

»Dabei bemerken wir womöglich manches nicht, was eigentlich unserer Aufmerksamkeit bedürfte«, sagt die Psychologin Cornelia Nagel von TÜV NORD. Dass die meisten in Begleitung trotzdem sicherer unterwegs sind, liegt nicht nur an einer vorsichtigeren Fahrweise. Eine weitere Erklärung fanden Vollrath und sein Team, als sie das Kommunikationsverhalten im Fahrsimulator beobachteten: Ein Gespräch mit dem Handy unterschied sich deutlich von der Plauderei mit einer Person auf dem Beifahrersitz. In letzterem Fall hatten die Fahrenden weniger Redeanteile und die Mitinsassen passten ihr Gesprächsverhalten (bewusst oder unbewusst) der Verkehrssituation an.

Wie sehr ein Gespräch die Aufmerksamkeit absorbiert, belegen Experimente mit EEG-Messungen an der University of Alberta in Kanada 2016. Gut 20 Studierende absolvierten mehr oder minder schwierige Touren im Fahrsimulator, während ihre elektrische Hirnaktivität protokolliert wurde. Aus der Hirnforschung ist bekannt, dass eine bestimmte Hirnwelle, die so genannte P300, immer dann auftritt, wenn wir auf etwas aufmerksam werden. Sie ist ein verlässlicher Indikator dafür, dass jemand ein neues oder bedeutsames Signal bemerkt hat. Wurde ein solches Signal im Fahrsimulator eingespielt, tauchte die markante Hirnwelle bei schwieriger Strecke während einer Unterhaltung nur in deutlich abgeschwächter Form auf. Offenbar lag die Reizschwelle unter diesen Bedingungen höher.

»In anspruchsvollen Situationen nehmen wir unsere Umwelt schon bei leichter Ablenkung nicht mehr so gut wahr«, erklärt Cornelia Nagel von TÜV NORD. Ob bei schlechter Sicht, dichtem Verkehr oder an einer unübersichtlichen Kreuzung: »Wenn das Fahren gerade etwas mehr Aufmerksamkeit erfordert, sollte man das Gespräch für einen Moment unterbrechen.« Die Psychologin empfiehlt, sich als gute Begleitung zu erweisen, indem man im richtigen Moment das Gespräch ruhen lässt: »Sonst könnte die Unterhaltung unfreiwillig enden – mit einem Crash.«

 

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