Betriebliches Gesundheitsmanagement gewinnt an Bedeutung: „In die Wartung der Mitarbeiter muss man investieren“

25.03.2014: Eine zunehmend alternde Belegschaftsstruktur, der Konkurrenzkampf um junge Nachwuchskräfte und Arbeitsplatzangebote in strukturschwachen Regionen – dies sind nur einige Beispiele, warum immer mehr Unternehmen sich für die Einführung eines zertifizierten Betrieblichen Gesundheitsmanagement entscheiden.

Eine zunehmend alternde Belegschaftsstruktur, der Konkurrenzkampf um junge Nachwuchskräfte und Arbeitsplatzangebote in strukturschwachen Regionen – dies sind nur einige Beispiele, warum immer mehr Unternehmen sich für die Einführung eines zertifizierten Betrieblichen Gesundheitsmanagements entscheiden. In einem Interview berichten Sandra Gerhartz, Fachbereichsleiterin Verbraucherschutz bei TÜV NORD, Dr. Thomas Block, Rechtsanwalt und Partner bei AC Tischendorf und Sven Richter, Verantwortlicher Human Resources bei Carlsberg Deutschland, über die Zukunft des Betrieblichen Gesundheitsmanagements.

Arbeit und Gesundheit, bei diesem Thema tun sich Welten auf, wenn man sich unterschiedliche Betriebe ansieht. Während die einen ihre Mitarbeiter mit mobiler Massage und Stresstraining unterstützen, schenken die anderen dem Thema keinerlei Beachtung. Wie viel Sorge trage ich als Arbeitgeber für meine Belegschaft?

Dr. Thomas Block: Grundsätzlich müssen Sie als Arbeitgeber immer sicher stellen, dass die Gesundheit ihrer Belegschaft in keiner Weise beeinträchtigt wird und das ist ja auch selbstverständlich. Glücklicherweise leben wir in einer Zeit, in der Arbeitsschutz so etabliert ist, dass niemand seine Angestellten ungeschützt mit giftigen Substanzen arbeiten lässt oder ohne Sicherheitsschuhe in die Produktion schickt. Problematisch wird es da, wo das Arbeitsschutzgesetz aufhört. Weitere Arbeitsschutzvorschriften finden sich in zahlreichen weiteren Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen, die oft nur mühsam zusammenzusammeln sind. Ein Puzzle des Gesetzgebers.

Wo stecken denn die Stolpersteine?

Dr. Thomas Block: Zum Beispiel beim Schutz der psychischen Gesundheit. Dieser wird mittlerweile in einem Atemzug mit der körperlichen Unversehrtheit genannt. Viele Arbeitgeber tragen dem Rechnung, indem sie Stressmanagement-Seminare oder Fitnessmöglichkeiten anbieten. Was oft vergessen wird, weil es versteckt im SGB IX, dem Schwerbehindertenrecht, gesetzlich geregelt ist, ist ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement. Unabhängig von der Betriebsgröße ist es enorm wichtig zu dokumentieren, wie man Mitarbeitern, die länger als sechs Wochen im Jahr gefehlt haben, einen guten, gesunden Start in den Job ermöglicht. Dazu sollten regelmäßig Gespräche geführt werden. Positiver Nebeneffekt: Ein gelebtes Wiedereingliederungsmanagement kann auch bei arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten helfen, die Arbeitsschutzaktivitäten des Arbeitgebers zu dokumentieren.

Sven Richter: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gerade ältere Mitarbeiter es zu schätzen wissen, wenn sie nach längerer Krankheit einen individuell gestalteten Fahrplan für ihren Wiedereinstieg erhalten. Es ist immer schlecht, einen Mitarbeiter allein zu lassen.

Dr. Thomas Block: Ein anderes schwieriges Thema ist der Umgang mit Blackberry, Smartphone und Co. Jeder ist nahezu jederzeit erreichbar. Das ist nicht im Sinne des Arbeitsschutzes. Wer als Arbeitgeber keine klaren Regeln zur Nutzung mobiler Endgeräte in der Freizeit aufstellt, kann schnell rechtswidrig handeln, denn auch ein Dulden von Arbeitszeitverstößen toleriert der Gesetzgeber nicht.

Das klingt nach verschärften Rechtspflichten im Arbeitsschutz...

Dr. Thomas Block: Nein, so ist es nicht. Es ist allerdings spürbar, dass mehr sanktioniert wird als früher.

Sandra Gerhartz: Man sollte erwähnen, dass auch der Arbeitnehmer verpflichtet ist seine Gesundheit zu schützen: Wenn er überlastet ist, gemobbt wird oder sonst durch seine Arbeit beeinträchtigt ist, muss er das seinem Vorgesetzten oder der Personalabteilung mitteilen. Arbeitgeber sollten Arbeitnehmer in die Lage versetzen, sorgsam und bewusst mit der eigenen Gesundheit umzugehen.

Jede Menge Anforderungen. Wie schaffe ich es, alle Regelungen und Maßnahmen zu berücksichtigen, zu dokumentieren und zu leben?

Sandra Gerhartz: Durch die Implementierung eines zertifizierten Betrieblichen Gesundheitsmanagements, hier die DIN SPEC 91020. Primäres Ziel der DIN ist es, den Arbeitsalltag systematisch gesundheitsgerecht zu gestalten. Das erreicht man durch eine Unternehmensführung, die gesundheitsgerechtes Führen lebt, durch optimierte Prozesse, eine gute Personal- und Führungskräfteentwicklung, indem man Möglichkeiten für die Arbeitnehmer schafft, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen und so weiter. Alle diese Punkte müssen ganz individuell auf das Unternehmen abgestimmt sein, weshalb es sinnvoll ist, Arbeitnehmer der unterschiedlichen Fachabteilungen mit ins Boot zu holen. Am Ende steht dann ein Managementsystem, das für klare Strukturen im Betrieb sorgt und nach außen zeigt, hier wird betriebliches Gesundheitsmanagement gelebt.

Wie schafft man eine Arbeitsumgebung, in der sich Arbeitnehmer wohl fühlen und sich mit dem Unternehmen identifizieren?

Sven Richter: In dem man bedarfsgerechte Angebote macht und diese entsprechend kommuniziert. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass Mitarbeiter sinnvolle Aktionen gerne nutzen. Vorsorgeuntersuchungen, die Grippe-Impfung im Herbst, Ernährungsberatung – all das trägt zum Wohlfühlfaktor bei.

Sandra Gerhartz: Wichtig ist, dass man diese Angebote auch evaluiert, damit man nicht am Mitarbeiter vorbei plant. Auch hierfür bietet das BGM gute Ansätze.

Das klingt nach viel Arbeit.

Sandra Gerhartz: Ja, sicherlich braucht es immer Ausdauer und Engagement aller Beteiligten, bis ein QM-System steht. Und ich weiß auch, dass das Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement in der einen oder anderen Führungsetage eher belächelt wird, nach dem Motto „so viel Aufmerksamkeit und Zeit für das bisschen Krankenstand“.

Sven Richter: Auf fehlendes Verständnis trifft man immer wieder an der einen oder anderen Stelle. Aber, jede Maschine wird regelmäßig gewartet, damit der Betrieb nicht zum Erliegen kommt. Das kostet auch eine Summe X. Da finde ich es nur konsequent auch in die „Wartung“ der Mitarbeiter zu investieren, um ein leistungsfähiges, motiviertes und zufriedenes Team zu schaffen.

Sandra Gerhartz: In der Tat. Ich habe auch noch niemanden getroffen, der nach der Zertifizierung gesagt hat, dass sich der Aufwand nicht gelohnt habe.

Über die TÜV NORD GROUP

Die TÜV NORD GROUP ist mit über 10.000 Mitarbeitern einer der größten technischen Dienstleister. Mit ihrer Beratungs-, Service- und Prüfkompetenz ist sie weltweit in 70 Ländern aktiv. Zu den Geschäftsbereichen gehören Industrie Service, Mobilität, IT und Bildung. Mit Dienstleistungen in den Bereichen Rohstoffe und Aerospace hat der Konzern ein Alleinstellungsmerkmal in der gesamten Branche.

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