Mit Fotos wird der Urlaub noch schöner

Wer ständig durch die Kamera guckt, verdirbt sich damit angeblich die Freude am Urlaub. Doch tatsächlich stört das Fotografieren nicht, klärt der Psychologe Ralf Buchstaller von TÜV NORD auf. »Im Gegenteil: Wir erleben den Moment sogar noch intensiver.«

An einen schönen Urlaub wollen wir uns ein Leben lang erinnern. Zu diesem Zweck machen wir Fotos. Paradoxerweise brauchen wir diese Gedächtnishilfe gerade dann umso mehr: Wenn wir etwas fotografieren, erinnern wir uns später weniger gut daran, berichtet Ralf Buchstaller vom Medizinisch-Psychologischen Institut des TÜV NORD in Hamburg.

Das seltsame Phänomen wurde bereits in zahlreichen Studien beobachtet. Eine mögliche Erklärung: Vielleicht prägt sich der Moment deshalb weniger ein, weil wir uns mehr mit dem Fotografieren beschäftigen als mit dem, was wir auf dem Bild festhalten wollen. Der Blick durch die Kamera könnte also von der eigentlichen Sache ablenken.

Diese Theorie überprüfte ein Team um Psychologin Kristin Diehl von der University of Southern California mit einer Reihe von Experimenten. Insgesamt 2000 Versuchspersonen nahmen zum Beispiel an einer Stadtrundfahrt teil, besuchten eine Ausstellung oder einen historischen Markt. Stets wurde ein Teil von ihnen gebeten, dabei Fotos zu machen.

Das Ergebnis war ein ums andere Mal dasselbe. Ob auf Bustour, im Museum oder auf dem Markt: Wer fotografierte, war tiefer im Moment versunken und hatte mehr Freude an der Sache. Fotografieren lenkte die Aufmerksamkeit nicht ab, sondern lenkte sie sogar auf die aktuelle Erfahrung, wie Kristin Diehl und ihr Team beobachteten. Indem sie ihren Versuchspersonen im Museum Spezialbrillen aufsetzten, konnten sie deren Blicke verfolgen. Wer Fotos machen durfte, fixierte die archäologischen Fundstücke länger und erfreute sich mehr an der Ausstellung.

Der Spaß-Vorteil stellte sich sogar im Labor ein, als Studierende eine Bustour durch London am Bildschirm erlebten und dabei Fotos machen sollten. Erstaunlicherweise war der Effekt derselbe, wenn die Versuchspersonen lediglich überlegen sollten, was sie gerne fotografieren würden. Diehl und ihr Team glauben deshalb, dass es um die mentalen Prozesse geht, die mit dem Fotografieren zusammenhängen: Sie vertiefen Aufmerksamkeit und Freude.

Also bei allen Erlebnissen zur Kamera greifen? So einfach ist es nicht. Als Diehl ihre Versuchspersonen aus Spaghetti und Marshmallows einen Turm bauen ließ, profitierten sie nicht davon, wenn sie dabei auch noch fotografierten. Beim Basteln sei man bereits tief in seinem Tun versunken, vermuten Diehl und ihr Team: Das könne das Fotografieren nicht weiter vertiefen.

Der positive Effekt blieb auch dann aus, wenn die Kamera sperrig war oder aufwändig zu bedienen oder wenn technische Spielereien die Aufmerksamkeit ablenkten. Ob die Leute immer wieder dasselbe fotografierten, spielte dagegen keine Rolle. Als die Versuchspersonen von einer Naturdokumentation entweder 10, 30 oder unbegrenzt Fotos machen durften, hatten sie auch dann mehr Spaß, wenn sie ständig den Auslöser betätigten.

 

Das Knipsen kann aber auch nach hinten losgehen. Von einem Safari-Kurzfilm eigene Fotos zu machen, steigerte zwar die Laune, verglichen mit Filmgucken ohne Fotografieren. Ganz anders, wenn der Film zeigte, wie ein Rudel Löwen einen Büffel bei lebendigem Leib fraß: Bei diesem Anblick sank die Stimmung der Versuchspersonen umso mehr, wenn sie das Geschehen auch noch mit der Kamera festhielten. Die unschöne Erfahrung wurde dadurch noch schlimmer.

»In der Regel tut uns das Fotografieren aber gut«, sagt Ralf Buchstaller von TÜV NORD. »Die Sorge, dass es von der eigentlichen Erfahrung ablenkt, ist unbegründet.« Warum wir uns an Fotografiertes später weniger gut erinnern, ist also noch unklar. Die Fotos selbst gleichen den Nachteil aber wieder aus: Sie helfen dem Gedächtnis auf die Sprünge. Und nicht nur das: Als Urlaubsandenken stärken sie die Identität und das Gefühl von Kontinuität über Raum und Zeit, erklärt der promovierte Psychologe. »Sie verbinden uns gedanklich mit unseren vergangenen Erfahrungen, mit schönen Orten und geliebten Menschen.«

Quellen

Baker, S.M. et al.: On the Symbolic Meanings of Souvenirs for Children. Research in Consumer Behavior 10, 209-248, 2006

Diehl, K. et al.: How taking photos increases enjoyment of experiences. Journal of Personality and Social Psychology 111(2), 119–140, 2016

Eliseev, E.D., Marsh, E.J.: Externalizing autobiographical memories in the digital age. Trends in Cognitive Sciences 25(12), 1072-1081, 2021

Lurie, R., Westerman, D.: Photo-Taking impairs memory on perceptual and conceptual memory tests. Journal of Applied Research in Memory and Cognition 10(2), 289-297, 2021

Masset, J., Decrop, A.: Meanings of Tourist Souvenirs: From the Holiday Experience to Everyday Life. Journal of Travel Research 2020

Soares, J. S., Storm, B. C.: Forget in a flash: A further investigation of the photo-taking-impairment effect. Journal of Applied Research in Memory and Cognition 7(1), 154–160, 2018

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